Meine Erfahrungen in der Nachzucht von Jungtieren

und Entstehung von Anomalien.

 

Vorraussetzung für die erfolgreiche Zucht ist, das man adulte (geschlechtsreife) Tiere hat, und es zur Paarung kommt. Die Männchen machen die Weibchen mit Bissen in die Beine gefügig. Dann reiten Sie von hinten auf und lassen dabei piepsende Laute von sich.
Im späten Frühjahr kommt es dann zur Eiablage. Die Weibchen werden sehr unruhig und sind auf der Suche nach einem geeigneten Ablageplatz. Mit den Hinterbeinen wird ein geeignetes Loch gegraben um mehrere Eier darin abzulegen. Die Eier werden mit den Beinen richtig platziert. Anschließend wird das Loch verschlossen bis der Boden wieder eben ist. Die Tiere sind nach dieser Prozedur sehr geschafft.  In der Natur ist das Gelege nun sich selbst überlassen. Die Wärme der Sonne und die Feuchte im Erdreich schaffen die nötigen Bedingungen, um die Eier zu zeitigen. Bei uns im kühleren  Deutschland funktioniert das jedoch nicht. Die Eier müssen in einem Brutgerät oder einem Gewächshaus gezeitigt werden in denen entsprechende Verhältnisse vorherrschen.
Nach dem Entnehmen der Eier aus der Eigrube dürfen diese nicht mehr gedreht werden. Im Jahr 2003 verwendete ich zum ersten mal die Jäger-kunstglucke. In den Jahren zuvor hatte ich die Eier mit einem selbstgebauten Inkubator (Brutaquarium) gezeitigt.

 Umgebungstemperaturen von 27 bis 33 grad  (Tabelle unten) und eine relative Luftfeuchte von ca. 70%  sind im Inneren des Brutgerätes vorhanden. Durch eine Zeitschaltuhr wird eine Nachtabsenkung ermöglicht. Die Temperaturen fallen auf etwa 22 grad zurück.

 

Im Jahr 2000 hatten wir den ersten Nachzuchterfolg mit 8 Jungtieren von  23 gelegten Eiern. Der Schlupf der Jungtiere ist immer eine spannende Angelegenheit. Die meisten Tiere haben gut 24 Stunden gebraucht, vom Anknabbern der Schale bis zur vollständigen Befreiung aus dem Ei.

Jungtiere von 2003

Im Bild gut zu erkennen die Eischwiele (Eizahn) mit denen die Tiere die Schale des Eies von innen durchstoßen.
Ein Ei ist aufgeplatzt wegen zu starken Feuchtigkeitsunterschieden zwischen Substrat und Luftumgebung. Wir hatten das Ei geöffnet. Es hätte auch weiter bebrütet werden können, wie wir später erfuhren. Gut zu erkennen die feinen Blutgefäße, welche auch beim Durchleuchten der befruchteten Eier zu erkennen sind. Das Foto entstand am 25.Bebrütungstag (Jahrgang 2000).
Unmittelbar nach dem Schlupf ist eine starke Querfalte im Plastron (Bauchpanzer) zu erkennen, sowie meist ein stark nach aussen gewölbte Bauchspalte.

rechtes Bild: Das gleiche Tier 24 Stunden später.  Der Panzer ist noch recht weich

Im Herbst 2004 ist die erste Vierzehenlandschildkröte geschlüpft.

 

 

  

Anomalien

Was sind Anomalien?: Schildanomalien zeichnen sich aus in einer Vermehrung, einer Verminderung, oder einer veränderten Form der Hornplatten auf dem Carapax (Rückenpanzer).

links im Bild ein Tier mit nur 4 Zentralschilden, daneben ein "normales Tier"

4 Zentralschilde

Wodurch entstehen Anomalien?: Der Grund für das Auftreten von Anomalien ist nicht eindeutig geklärt. Schildanomalien treten auch bei Tieren in der freien Wildbahn auf, allerdings nicht so häufig wie bei in Gefangenschaft nachgezüchteten Tieren. Beeinflussende Faktoren können sein: -Bruttemperaturen  - genetische Veranlagung der Elterntiere - Umwelteinflüsse. 

 

Meine Erfahrungen mit Nachzuchten Testudo hermanni boettgeri. Wahrscheinlicher Zusammenhang Bruttemperaturen, Inkubationsdauer und Bildung von Schildanomalien.

Seit dem Jahr 2000 habe ich regelmäßig Nachzuchten der Griechischen Landschildkröte (Thb). Anfangs sind einige Embryos in den Eiern abgestorben, wahrscheinlich wegen falscher Brutbedingungen und einige Eier waren unbefruchtet. Ab 2002 waren nur noch einige unbefruchtete Eier unter den Gelegen. Natürlich wollte ich auch weibliche Tiere unter den Schlüpflingen haben.

 Aus der Literatur entnahm ich dass bei über 27,5°C vorwiegend Weibchen schlüpfen. In verschiedenen Foren wurde ich eines Besseren belehrt, und wie sich später herausstellte sind bei konstant 29° ausschließlich Männchen geschlüpft. Da der Scheitelpunkt nun mit 31,5° angegeben wurde, stellte ich die Temperaturen auf konstant 32° bis 33° ein. Bei Tieren von 2001 und 2002 welche noch in meinem Besitz sind, handelt es sich um  Weibchen. 

Von Anfang an war jedoch eine hohe Anzahl an Anomalien zu verzeichnen. Neben anderen verschiedenen Ursachen wird immer wieder die Bruttemperatur als Faktor genannt. Manche haben berichtet dass bei einer Nachtabsenkung der Bruttemperaturen weniger oder keine Anomalien mehr aufgetreten sind, wobei mit sehr hohen Tagestemperaturen gebrütet wurde. Also brütete ich ab 2003 mit Nachtabsenkung, so wie es in der Natur auch ähnlich gegeben ist. Jedoch hatten wieder 4 von 7 Tieren Schildanomalien.

Im heißen Sommer 2003 fing mein Weibchen ab Anfang September an, nochmals eine Serie von Eiern zu legen. Glücklich war ich darüber nicht unbedingt, da der Rhythmus für das kommende Jahr wahrscheinlich vollkommen durcheinander gekommen ist. Dies war jedoch Gelegenheit noch etwas anderes mit den Bruttemperaturen zu probieren.  

Zwischenzeitlich erfuhr ich von einer Theorie, dass es innerhalb der Unterart Testudo hermanni boettgeri Unterschiede bei den Scheiteltemperaturen geben könnte. Es wird vermutet dass die Scheiteltemperaturen in den nördlichen Verbreitungsgebieten anders liegen als zum Beispiel im südlicheren Griechenland. Link Schildibrett  Nach dieser Theorie könnten auch unter einem bestimmten Temperaturpunkt Weibchen schlüpfen. >> (z.B. über 32° vorwiegend Weibchen, unter 27° und begünstigt durch Nachtabsenkung auch vorwiegend Weibchen, und im Bereich dazwischen vorwiegend Männchen.

Da ich davon ausgehe dass meine Tiere auch aus nördlicheren Gebieten stammen, ging ich mit den Bruttemperaturen herunter. Es war eine spannende Angelegenheit, da sich die Inkubationsdauer um durchschnittlich 20 Tage verlängerte.

Dass sich die Anzahl der Anomalien so verringerte, kann eigentlich kein Zufall sein. Jedoch sind bei den Niedrigtemperaturbruten keine Weibchen geschlüpft. Wenn es einen unteren Temperaturscheitelpunkt bei Testudo hermanni geben sollte, liegt er wahrscheinlich nicht im nutzbaren Bereich!

Alle Daten hier im Überblick

Jahr

  Gelegte Eier Geschlüpfte Tiere Anzahl Anomalien Brut- temperatur Nacht-* absenkungs- temperatur Inkubations- dauer -Tage min  /  max
2000   23  8 3  29        -  54 / 57
2001   12  3 1  32/33        -  54 / 55
2002   14  10 6  32/33        -  54 / 56
2003/Frühjahr    7  7 4  33/34  21/22  57 / 58
2003/Herbst   9 6 0  27,5/28  21/22  68 / 74
2004   14     11     1 27 21/22  72 / 81 
2005   4 4 2 32 21/22 60 / 64
2006   7 7 0 32 21/22  

Im Jahr 2006 wurden die Eier vollständig mit Brutsubstrat bedeckt.

*Nachtabsenkung = 8 Stunden    

Einige weitere Anomalien der Carapaxschilde

 

Neben den Anomalien ist mir bei den "Hochtemperaturbruten" aber noch etwas aufgefallen. Eine hohe Anzahl der Tiere hat vorn nur vier, statt fünf Zehen. Viele Tiere haben ein ungeteiltes Schwanzschild. Weiterhin war die Zeichnung am Plastron sehr variabel in der Anzahl der Flecken, die auch ungleichmäßig (einseitig) ausgebildet waren. 

Die Fleckung am Plastron ist sehr variabel (Nachzuchten mit hoher Bruttemperatur)

Bei meinen Nachzuchttieren  mit niedrigen Bruttemperaturen war die Anzahl der Flecken immer gleich.

 

 

Schwanzschild geteilt

Schwanzschild ungeteilt

Bei den Nachzuchten vom Frühjahr 03 hatten 5 von 7 Tieren ein ungeteiltes Schwanzschild. In der Natur sind Tiere mit beiden Erscheinungsformen zu finden. Mann kann das ungeteilte Schwanzschild auch nicht als Anomalie betrachten. Jedoch ist mir aufgefallen, dass bei meinen Nachzuchten mit niedriger Bruttemperatur, sich vorwiegend Tiere mit geteiltem Schwanzschild entwickeln.

 

 

fünf Zehen vorn   

vier Zehen vorn

Bei den Nachzuchten von 02 hatten 5 von 10 Tieren jeweils nur 4 Zehen vorn. Beide Varianten kommen auch in der Natur vor. Bei meinen Nachzuchten mit niedrigen Bruttemperaturen sind nur noch Tiere mit jeweils 5 Zehen geschlüpft.

 

Alle hier genannten Erscheinungen sind unabhängig vom Geschlecht und Tiere mit ungeteiltem Schwanzschild haben nicht zwangsläufig eine Schildanomalie. 

Grundsätzlich gilt, dass man alle störenden Faktoren ausschließen muss, welche der natürlichen Inkubation wiedersprechen:

  • die Eier dürfen nicht gedreht werden
  • die Eier dunkel halten, nicht durchleuchten
  • entsprechende Bruttemperaturen
  • die Luft- bzw. Substratfeuchte einhalten
  • gleichmäßige Wärmeverteilung um das Ei (einseitige direkte Strahlungswärme vermeiden)

Jeder Organismus reagiert unterschiedlich auf äußere Einflüsse wie z.B. Umgebungstemperaturen.

Michael Scharf

letzte Bearbeitung 08/2008